Jungen erkranken häufiger als Mädchen an Asthma. Im Erwachsenenalter sind dagegen Frauen häufiger betroffen als Männer und sie leiden unter stärkeren Beschwerden und einem höheren Risiko für akute Atemnotattacken. Das hat vielerlei Gründe, die man bei Diagnose und Therapie berücksichtigen sollte.
Die geschlechtertypischen Unterschiede bei Asthma werden beeinflusst durch genetische und hormonelle sowie verhaltensbedingte Faktoren und Umwelteinflüsse. Wie stark der Einfluss des Geschlechts tatsächlich ist und worin er sich äußert, war bislang unklar. Eine aktuelle Studie untersuchte das nun durch Auswertung der Daten von 773 Personen mit Asthma, darunter 450 Frauen. Zu Beginn der Studie litten die Frauen unter Asthma mit höherem Schwergrad (Stufenschema der Global Initiative for Asthma, GINA) als die männlichen Patienten. Die Frauen klagten zudem über eine höhere Symptomlast und eine allgemein schlechtere Asthmakontrolle.
Wirkung der Hormone
Ganz offensichtlich spielen die Hormone Östrogen und Progesteron bei weiblichen Asthmapatienten eine wirkmächtige Rolle. So leiden 20–40 % der Frauen bis zum Alter von Mitte 40 an Prä- oder Perimenstruellem Asthma (PMA) und erleiden dann Atemnotattacken vorrangig in der Woche vor der Menstruation. Auslöser dafür soll ein während dieser Tage allgemein erhöhter Entzündungsstatus sein, der auch die Bronchien betrifft und eine Asthmaattacke auslösen kann. Bei Asthmatikerinnen, die orale Kontrazeptiva (die „Pille“) einnahmen, war dieses episodische Risiko geringer. So kann sich die Ausprägung des Asthma auch während einer Schwangerschaft verändern — wenn auch nicht in vorhersehbarer Richtung. Bei rund einem Drittel bessert sich die Symptomatik, bei einem Drittel bleibt sie gleich und bei einem weiteren Drittel lässt sich das Asthma während der Schwangerschaft schlechter kontrollieren. Vor dem Risiko zur Verschlechterung waren vor allem Frauen betroffen, denen es schon zuvor schwer fiel ihr Asthma zu kontrollieren. Bei ihnen traten vor allen gegen Ende der Schwangerschaft vermehrt Atemnotattacken auf. Sie waren zu dieser Zeit auch besonders empfindlich gegenüber Virus-Infektionen.
Der Hormon-Einfluß wird auch augenfällig beim ansteigenden Risiko für neudiagnostiziertes nicht-allergisches Asthma bei Frauen nach dem Einstieg in die Menopause ab Ende 40. Hier sollen die langsam schwindende Vitalität der Lungenfunktion aber auch die veränderten Körperproportionen Auslöser sein. Im Gegensatz zu Männern ist der altersgemäß natürliche Anstieg des BMI bei Frauen mit einer Zunahme des Asthmarisikos und des Schwergrades von Asthma und der Asthmasymptome verbunden. Bei Frauen steigt das Asthmarisiko mit dem Fortschritt der Biographie, männliche Patienten werden dagegen zumeist schon jünger auffällig und diagnostiziert. Bei Männern bleibt die Asthmamorbidität von der Pubertät bis zum altersbedingten Abfallen des Testosteronspiegels vergleichsweise stabil.
Geschlechtertypische Symptome
Im Vergleich zu Männern berichten Frauen über eine stärker ausgeprägte Symptomatik, die sich mit den verschiedenen Lebensabschnitten wie Menstruation, Schwangerschaft und Menopause verändert. So leiden junge Frauen häufiger unter Husten und pfeifenden Atemgeräuschen (Giemen). Mit Fortschritt der Biographie nimmt die chronische Entzündung und bronchiale Hyperreaktivität weniger stark ab als es bei Männern beobachtet werden kann. Frauen leiden mit höherer Wahrscheinlichkeit unter spezifischen Asthmasymptomen wie Kurzatmigkeit und beklagen eine größere asthmabezogene Einschränkung der Lebensqualität.
Weibliche Jugendliche mit Asthma, die zu rauchen beginnen, entwickeln sehr viel schneller eine körperliche Tabakabhängigkeit als Mädchen ohne Asthma. Bei Knaben kann man diesen Unterschied nicht beobachten. Dafür leiden Männer mit Asthma häufiger unter nächtlichen Atembeschwerden.
Geschlechtergerechte Therapie
Aufgrund des „untypischen“ Verlaufs der Asthmaerkrankung bei Frauen wird bei ihnen über alle Altersklassen hinweg die Diagnose erst sehr spät gestellt. Dadurch bleibt Frauen eine angemessene Therapie vorenthalten. So erhalten sie statt Steroide oftmals Psychopharmaka. Häufiger als Männer müssen Frauen aufgrund akuter Probleme Notfallmedikamente nutzen und einen Arzt aufsuchen — obwohl sie in der Anwendung ihrer Asthmamedikamente einen bessere Therapietreue aufweisen als männliche Patienten.
Das Autorenteam der aktuellen Studie betont in ihrem Fazit, die Relevanz der geschlechtertypischen Asthmasymptomatik für eine adäquate Asthmabehandlung. Im Interesse beider Geschlechter sei zu hoffen, dass zukünftig diese Besonderheiten größere Beachtung finden. Für Patienten selbst bedeutet es, dass sie bei der Beurteilung der eigenen Symptome, wie sie beispielsweise im digitalen Asthma-Assistenten breazyTrack protokolliert werden, die Erkenntnisse zu den geschlechtertypischen Besonderheiten berücksichtigen.