Asthma und Atemtherapie
Frau Menrad-Barczok, können Sie sich bitte kurz vorstellen?
Ich bin 1962 geboren und aufgewachsen in Schwäbisch Gmünd, also eine waschechte Schwäbin, verheiratet mit einem Lungenarzt, Mutter von 2 erwachsenen Söhnen und selbst Asthmatikerin seit jungen Jahren.
Als Atempädagogin bin ich seit über 20 Jahren in eigener Praxis tätig und zudem seit mehr als 30 Jahren Teil des Teams des Lungenzentrums Ulm. So liegt ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit als Atempädagogin in der Begleitung und Schulung von Menschen mit Asthma oder anderen Atemwegserkrankungen, Atemfehlformen und Hyperventilation.
Sie waren lange Jahre im Vorstand des Berufsverbandes Atempädagogik und Atemtherapie e.V. aktiv. Können Sie uns etwas über dessen Arbeit erzählen?
Ein ganz zentrales Anliegen des Berufsverbandes BV – ATEM e.V. ist die Anerkennung und Etablierung der Atemtherapie im Gesundheitswesen. Meine Motivation war immer die Atemtherapie als eigenständige komplementäre, also ergänzende Behandlungsoption allen zugänglich zu machen, also auch im System der gesetzlichen Krankenversicherung zu etablieren, was bisher leider noch nicht gelungen ist. Öffentlichkeitsarbeit, Aus- und Fortbildungsangebote, Qualitätssicherung und die Organisation und Präsenz bei Fachtagungen und Kongressen sind weitere Arbeitsfelder des Berufsverbandes.
Asthma und Ganzheitlichkeit
Welchen Stellenwert hat die Atemtherapie bei der Behandlung von Asthma?
Aus meiner Sicht hat die Atemtherapie sowohl für Betroffene selbst als auch für deren Umfeld einen sehr hohen Stellenwert und sollte ganz selbstverständlich zu einer umfassenden und ganzheitlichen Behandlung von Asthma dazugehören. Leider ist das eben nicht so und die Atemtherapie führt bisher ein Schattendasein. Umso mehr freut es mich, dass das Atemtraining jetzt online geht.
Das wichtigste Ziel der Atemtherapie bei Asthma ist sicher, dass Betroffene lernen, die damit verbundenen Symptome wie Atemnot, Husten und Auswurf möglichst selbst und aktiv zu managen. Hier kann die Atemtherapie neben der unverzichtbaren medikamentösen Behandlung einen wertvollen Beitrag leisten, also Hilfe zur Selbsthilfe. Die Basics wie atemerleichternde Körperhaltungen, Lippenbremse, Hustentechnik … sollten jedem Betroffenen bekannt sein.
Asthma und das Modul Atemtraining
Sie haben ein neuartiges Übungsset für Zuhause entwickelt, dass wir demnächst als interaktives App-Modul Atemtraining veröffentlichen werden. Was beinhaltet das entwickelte Übungsset?
Das Übungsset beinhaltet bisher 26 Atemkarten mit Tipps und Übungen. Zudem enthält es eine Begleitbroschüre ATEM, in der Wissenswertes rund um das Thema Atem und Bewegung enthalten ist. Dann ist dem Set noch ein Atemtagebuch beigefügt als Angebot die Erfahrungen beim Üben und Veränderungen im Atem-Alltag zu notieren und langfristig zu festigen.
Die Idee zu dem Übungsset resultiert aus meiner jahrelangen Arbeit und dem Wunsch, Klienten etwas mit auf den Weg geben zu können. Das Üben mit den Karten kann individuell gestaltet werden, je nach Zeit und Alltag, immer mal wieder zwischendurch.
Zur leichteren Orientierung sind die Karten in verschiedenen Farben gestaltet. Dabei gilt ein einfacher Farbcode:
- Rot: besonders hilfreich und wichtig bei Asthma und anderen Atemwegsproblemen
- Blau: achtsame und ruhige Spürübungen
- Grün: Atem- und Bewegungsübungen, die den Atem in Schwung bringen
Also es ist für jeden etwas dabei – das Übungsset ist so angelegt, dass es auch jederzeit ergänzt werden kann – die Atemtherapie bietet da einen reichen Schatz an Übungen und ich werde weiter dran arbeiten.
Für wen ist das neue Modul Atemtraining einsetzbar? Benötige ich Vorwissen oder eine spezielle Umgebung, um die Übungen durchzuführen?
Nein, es ist kein Vorwissen nötig, die Tipps und Übungen sind einfach und erfordern auch keine spezielle Umgebung oder Hilfsmittel. Es ist natürlich klasse, regelmäßig und in einer ruhigen Umgebung zu üben, doch der Alltag gibt das oft nicht her. So können gerade z. B. Wartezeiten, Busfahrten, alltägliche Situationen … genutzt werden, um eine Übung oder einen Atemtipp auszuprobieren und umzusetzen. Zum Beispiel die nächste Treppe mit der Lippenbremse bewältigen und schauen, ob mir das Erleichterung bringt. Oder in einem unbeobachteten Moment eine Dehnungsübung zu machen – der Atem reagiert sofort. Offenheit und Neugier und die Bereitschaft Tipps und Übungen auszuprobieren sind ganz gute Übungsvoraussetzungen.
Asthma und Alltag
Zum Schluss: Worauf sollten Asthmatiker*innen unbedingt im Alltag achten?
Als selbst Betroffene ganz klar: Mein Bedarfsspray habe ich immer dabei und meine Medikamente nehme ich regelmäßig. Das setze ich jetzt mal voraus.
Asthmatiker*innen sollten ihre individuellen Asthmaauslöser gut kennen, damit sie sich entsprechend verhalten können.
Und auf den Atem bezogen: je besser ich meinen Atem kenne, desto leichter kann ich ihn in Atemnotsituationen auch ganz bewusst einsetzen, Erleichterung erfahren und meinen Atem auch wieder als tragfähig und belastbar erleben trotz der Atemwegserkrankung.
Vielen Dank Frau Menrad-Barczok für dieses interessante Interview.